Wer systematisch auftretende menschliche Verhaltensmuster nutzt, kann für eine nachhaltigere Gesellschaft sorgen

Um auch zukünftigen Generationen eine lebenswerte Existenz bieten zu können, braucht es die richtigen Nudging-Initiativen, schreiben Helga Fehr-Duda und Ernst Fehr im Wissenschaftsjournal „nature“.

Wer systematisch auftretende menschliche Verhaltensmuster nutzt, kann für eine nachhaltigere Gesellschaft sorgen

Eigennutz spielt beim menschlichen Verhalten eine gewichtige Rolle. Gleichzeitig wird der Fokus aufs eigene Wohlergehen oft auch zur Sorge um andere. Dazu führen Helga Fehr-Duda und Ernst Fehr einige Beispiele in einem „nature“-Artikel an: Die Abschaffung der Sklaverei, das Einführen von Menschenrechten oder auch der Sturz von Diktatoren wären nicht möglich, wenn nicht Menschen für ein grösseres Ziel ihre persönlichen Interessen hintanstellen würden.

Viele Verhaltensmuster treten systematisch auf, wie die Autoren im Artikel belegen. Beispiele sind:

  • Other-regarding interests: Zahlreiche Menschen kümmern neben der eigenen auch die Belange anderer. Vor allem dann, wenn sie auf das Handeln der Nächsten hingewiesen werden. Diese „conditional cooperators“ sprechen zum Beispiel gut auf Vergleiche mit ihren Nachbarn an, die möglichst sparsam mit Elektrizität umgehen – so geschehen in einer seit 2008 laufenden Studie mit 15 Millionen US-Haushalten, die bisher für eine Energieerparnis von zwei Prozent gesorgt hat.
  • Self-regarding interests: Manche Menschen bedienen sich der Leistungen anderer, ohne etwas dafür zu tun. Solche Free Rider müssen etwa im Fall von politischem Aktivismus so gut wie möglich koordiniert werden, damit Forderungen tatsächlich durchgesetzt werden können.
  • Oder die Delay-dependent risk-tolerance: Versicherungen für zeitlich entfernte und möglicherweise nie eintretende Ereignisse werden ungern abgeschlossen. In Industrieländern war in den vergangenen 50 Jahren nur die Hälfte der von Naturkatastrophen verursachten Schäden versichert. Dieser Bias macht etwa Steuern sehr unbeliebt, die den Wechsel zu „grünen“ Energieformen finanzieren sollen, denn ihr Effekt wird von den Wählern lange Zeit nicht wahrzunehmen sein.
  • Die Feedback-dependent risk aversion wiederum sorgt dafür, dass mit dem Anhäufen von Informationen mehr Ängste entwickelt werden. Im Rahmen einer Studie investierten die Teilnehmer so eher 60% ihrer Aktien in konservative Anlagen als ihre Kollegen, die weniger Erfahrungen gesammelt hatten.
  • Und die Geduldspanne spielt bei der Short-term patience die Hauptrolle. Um der Ungeduld ein Schnippchen zu schlagen, wurden etwa beim amerikanischen Pensionsversorge-Programm „Save more tomorrow“ Nutzen und Kosten verschoben: Nicht sofort, aber spätestens bei jeder Gehaltserhöhung wandert ein Prozentsatz in des Ansparungsprogramm des Arbeitgebers, was dazu geführt hat, dass zwischen 2011 und 2014 von 4,1 Millionen Arbeitnehmern jährlich 7,6 Mrd. US-Dollar für den Ruhestand angespart wurde.

Grosse Einsparungen durch effizientere Technologien – und Behavioral Change

Das Überwinden dieser systematischen kognitiven Verzerrungen könnte immens hohe Einsparungen bringen. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass die Standard-Option bei der Wahl des Stromanbieters eine „grüne“ ist, wie geschehen in der deutschen Stadt Schönau. McKinsey widerum schätzt, dass alleine die USA mit einer Umstellung auf effizientere Technologien 1,2 Billionen US-Dollar bis 2020 für andere Belange eingesetzt werden könnte.

Das Ändern von Default-Einstellungen ist ein Nudging-Instrument von vielen, die hochwirksam für den Weiterbestand unserer Umwelt und letztendlich der Menschheit eingesetzt werden könnte:

The picture from behavioural and social science is clear. Nudges — such as commitments to save or invest future income increases — will be crucial to changing behaviour, and should complement conventional policies. In the case of climate change, there are three principal take-home messages. First, conventional policy tools — such as taxing greenhouse-gas emissions — will be essential. Second, because people cooperate over the long term only if most others do as well, all key nations must be on board in international agreements. Third, institutions for measuring and enforcing compliance — such as measures to monitor emissions and to verify national reports — will be needed.

Quelle: Helga Fehr-Duda & Ernst Fehr, Sustainability: Game human nature, nature. International weekly journal of science, 24. Februar 2016