Und hier die Lottozahlen von nächster Woche …

Es gibt erstaunlich viele Leute, die glauben, dass es möglich sei, die Lottozahlen vorauszusagen. Das ist eine gute Voraussetzung für eine detailliertere Analyse unserer verzerrten Wahrnehmung des Zufalls.

Und hier die Lottozahlen von nächster Woche …

Menschen haben die Tendenz, in einer Reihe völlig zufälliger Ereignisse Muster zu sehen. Im einem meiner Texte war bereits die Rede davon, dass Investoren oft glauben, zufällig entstehende Trends müssten rasch enden („Gambler’s fallacy“). In diesem Artikel habe ich von der gerade gegensätzlichen Tendenz berichtet, Trends zu sehr zu extrapolieren („Hot hand fallacy“) und wie die beiden Arten von Täuschungen psychologisch zusammenhängen.

In beiden Fällen war die Rede davon, dass es mit Felddaten schwer zu sagen ist, ob es sich hier wirklich um Täuschungen handelt. In diesem Blog erkläre ich, was man aus dem Studium der Lottozahlen daraus lernen kann.

Die Lottozahlen von nächster Woche kann ich leider nicht voraussagen. Meine Prognose ist so gut wie jede andere, denn Lottozahlen sind (so gut es eben mit physischen Kugeln, Trommeln, etc. geht) völlig zufällig. Insbesondere ist die Beobachtung von der Lottozahlenziehung in den vorhergehenden Wochen nutzlos, da die Ziehung in einer Woche völlig unabhängig von der in einer anderen Woche ist. Die Betreiber von Lottospielen unternehmen auch jeden Versuch, die völlig zufällige Natur transparent zu machen (zum Beispiel durch Live-Übertragung), und das ist auch recht glaubwürdig, denn die Ziehungen werden oft staatlich reguliert und von Dritten überwacht (etwa notarielle Beaufsichtigung). Dennoch gibt es erstaunlich viele Leute, die glauben, dass es möglich sei, die Lottozahlen vorauszusagen („predict lotto numbers“ erzielt immerhin fast drei Millionen Ergebnisse auf Google).

Gemeinsam mit Sigrid Suetens (Universität Tilburg) und Claus Galbo-Jørgensen (Universität Kopenhagen) habe ich untersucht, ob sich Lottospieler so verhalten, als ob sie glauben, dass sie die Lottozahlen von nächster Woche aufgrund der Ziehungen vorhergehender Wochen vorhersagen können. Insbesondere untersuchen wir, ob die beiden in früheren Blogs diskutierten Arten der verzerrten Wahrnehmung des Zufalls (die „Gambler’s fallacy“ GF beziehungsweise die „Hot hand fallacy“ HHF) auch bei Lottospielern aufscheinen. Wir sind nicht die ersten, die Lottodaten verwenden, um die verzerrte Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeiten zu untersuchen. Schliesslich eignet sich diese Glücksspiel hierfür hervorragend, weil der zugrundeliegende Zufallsprozess einfach, transparent und allgemein bekannt ist.

Lotto: Ideal für Studien

Frühere Studien demonstrieren, dass der insgesamt auf eine Zahl gewettete Betrag fällt, wenn diese Zahl in der vorhergehenden Woche gezogen wurde (z.B. Clotfelder und Cook 1993). Andere Forscher haben auch Glückspiele mit ähnlichen Eigenschaften untersucht. Eine originelle Studie von Croson und Sundali (2005) hat Aufzeichnungen von in Spielkasinos über Roulette-Tischen angebrachten Kameras ausgewertet. Die Studie zeigt, dass Spieler, die beispielsweise weniger auf „rot“ setzen, wenn „rot“ im letzten Wurf gewonnen hat, auch mehr auf „rot“ setzen, wenn sie mit dieser Farbe soeben gewonnen haben. Die Frage wurde auch schon im Experimentallabor untersucht (z.B. Asparouhova et al. 2009), aber der Vorteil der Lottodaten ist, dass dieses Spiel populär ist, dass die Spieler nicht wissen, dass ihr Verhalten beobachtet wird und dass die Anreize (Gewinnsummen) erheblich sind. Und dies, obschon der Zufallsprozess kontrolliert und transparent ist.

Unsere Lotto-Studie ist einzigartig, weil wir die Lottospieler über die Zeit verfolgen können. Dies ist in der Dänischen Staatslotterie möglich, weil man in Dänemark Lotto (auch) online spielen kann und der Staat dabei vorschreibt, dass jeder Spieler sich individuell registrieren muss. Wir können so beobachten, wie ein bestimmter Spieler auf die Ziehungen der letzten Woche(n) reagiert (wohingegen frühere Lotto-Studien bloss die gesamt gewetteten Beträge studieren konnten). Wir finden heraus, dass die meisten Leute überhaupt nicht reagieren, da sie Woche für Woche dieselben Zahlen wählen. Aber diejenigen, die reagieren, verhalten sich gemäss der im letzten Blog beschriebenen Intuition (formalisiert in Rabin und Vayanos 2010). Die Spieler wetten im Schnitt weniger auf Zahlen, die in der vergangenen Woche gezogen wurden (konsistent mit der GF), wetten aber eher auf Zahlen, die mehrfach in den vergangenen Wochen gezogen wurden (konsistent mit der HHF).

Da wir die einzelnen Spieler verfolgen können, untersuchen wir auch, ob die Spieler, die gemäss GF reagieren, tendenziell auch gemäss HHF reagieren, wenn eine Zahl „heiss“ ist, das heisst mehrfach hintereinander gezogen wurde. Die Daten zeigen, dass die beiden Arten der Täuschung in gewissem Ausmass existieren und koexistieren (einige Spieler fallen keiner Täuschung anheim, einige der einen Art, einige der anderen Art), aber die beiden Täuschungen kommen tatsächlich erstaunlich häufig in ein und derselben Person vor. Das heisst, Spieler, die systematisch Zahlen meiden, die (nur) letzte Woche gezogen wurden, wetten auch stärker auf Zahlen, die „heiss“ sind, also in den vergangenen Wochen häufig gezogen wurden.

Teure Täuschung

Wir können auch zeigen, dass es kostspielig ist, diesen Täuschungen aufzusitzen. Einerseits wetten GF-Spieler mehr (und im Schnitt verliert man im Lotto – die gesetzliche Ausschüttungsquote beträgt in Dänemark bloss 45%), andererseits gewinnen HHF-Spieler weniger. Der Grund dafür ist nicht, dass sie seltener gewinnen (schliesslich sind alle Zahlen gleich wahrscheinlich). Der Grund ist, dass sie weniger Geld erhalten, falls sie gewinnen. Lotto ist typischerweise ein „pari-mutuel“ Spiel, bei dem die Preissumme pro Kategorie im vorneherein fixiert wird und unter den Gewinnern in dieser Kategorie aufgeteilt wird. Wenn also wegen der HHF viele Spieler die gleichen (eben die „heissen“) Zahlen wählen, erhalten sie weniger Geld.

Insgesamt stützt die Studie die kürzlich entwickelte Verhaltenstheorie, welche die beiden – scheinbar widersprüchlichen – Arten der verzerrten Wahrnehmung zufälliger Ereignisse miteinander in Einklang bringt, und sie tut dies unter Verwendung eines einzigartigen Datensatzes. Aber man muss einschränkend festhalten, dass, obschon Lotto in Dänemark recht populär ist, regelmässige Spieler nicht repräsentativ für die Bevölkerung sind und diese möglicherweise die Gewinnchancen generell überschätzen (in Dänemark liegt die Chance, den Jackpot zu gewinnen, bei ca. 1:8,000.000).

Zufälle gibt’s!

Ausserdem gibt es neben den beiden hier diskutierten Arten, sich irrational zu verhalten, noch viele andere Arten, sich gewissermassen ins Knie zu schiessen. Generell gesprochen geht es beim Lotto nicht darum, die Ziehung der nächsten Woche vorauszusagen (was eben zuverlässig nicht möglich ist). Vielmehr geht es darum, nicht die Zahlen zu wählen, die andere Spieler wählen (weil man sonst den Preis mit vielen anderen Spielern teilen muss). Wer also Geburtstage ankreuzt (tiefe Zahlen werden generell deutlich häufiger gewählt als Zahlen über 30) oder visuelle Muster auf dem Lottoschein (Kreuze, vertikale Linien, etc.) wählt, reduziert die erwarteten Gewinne erheblich, weil das viele andere Leute auch tun.

Simon (1999) hat beispielsweise für das Lotto in Grossbritannien ausgerechnet, dass, wer die am wenigsten populären Zahlen wählt, im Schnitt etwa viermal so viel gewinnt als jemand, der die beliebtesten Zahlen ankreuzt. Ein drastisches Beispiel hierfür lieferte im Jahr 2009 die Bulgarische Staatslotterie, wo zweimal nacheinander dieselben 6 Zahlen gezogen wurden – Zufälle gibt’s! Kaum zufällig ist allerdings, dass 18 Personen auf genau diese Kombination getippt hatten. Im Vergleich zur Auszahlung mit nur einem Gewinner haben diese Personen dadurch ihre Auszahlung um 94% reduziert.

  • Asparouhova, E, Hetzel, M. and Lemmon, M. (2009): Inferences from Streaks in Random Outcomes: Experimental Evidence on Beliefs in Regime Shifting and the Law of Small Numbers. Management Science 55: 1766-1782.
  • Clotfelder, C. and Cook, P. (1993): The Gambler’s fallacy in Lottery Play. Management Science 39: 1521-1525.
  • Croson, R. and Sundali, J. (2005): The Gambler’s fallacy and the Hot Hand: Empirical Data from Casinos. Journal of Risk and Uncertainty 30: 195-209.
  • Jørgensen, C., Suetens, S. and Tyran, J.-R. (2011): Predicting Lotto Numbers. Center of Economic Policy Research (CEPR) working paper 8314.
  • Simon, J. (1999): An Analysis of the Distribution of Combinations Chosen by UK National Lottery Players. Journal of Risk and Uncertainty 17: 243-276.